Der Maron-Befehl
zur Veränderung des Verkehrsnetzes in Berlin

Im Sommer 1961 wurde Berlin durch eine Mauer gewaltsam getrennt. Diese Maßnahmen zur Teilung der Stadt sind sehr exakt und präzise von der DDR vorbereitet worden, nichts wurde dem Zufall überlassen. Zu diesem Thema verweise ich auf folgende Seiten:
13.August.de Bernauer Straße Checkpoint Charlie Marienfelde Marienborn Eichsfeld Haus der Geschichte

Vor ein paar Tagen fiel mir ein "Befehl" in die Hand, der sich direkt auch mit der Sicherung in den U-Bahnanlagen beschäftigt. Diesen "Befehl" möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Nachfolgend der Wortlaut:


Befehl des Ministers des Inneren der DDR, Karl Maron, vom 12. August 1961 zur Veränderung des Verkehrsnetzes in Berlin.

Geheime Verschlußsache

 

Zur Erhöhung der Sicherheit der Deutschen Demokratischen Republik sind mit "X"-Zeit Maßnahmen zur Einschränkung des Verkehrs von der Deutschen Demokratischen Republik nach dem demokratischen Berlin sowie von der Deutschen Demokratischen Republik und dem demokratischen Berlin nach Westberlin durchzuführen.

Zur Durchsetzung der Aufgaben werden auf dem Gebiet der Deutschen Reichsbahn und der U-Bahn folgende Maßnahmen getroffen.

1. Züge im internationalen Reiseverkehr in Richtung Westen und zwischen Westberlin und Westdeutschland beginnen auf dem Bahnsteig A des Bahnhofs Friedrichstraße.

2. Der direkte S-Bahnverkehr aus den Randgebieten der Deutschen Demokratischen Republik nach Westberlin sowie aus der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik nach Westberlin wird mit "X"-Zeit eingestellt. Alle aus der Deutschen Demokratischen Republik und dem demokratischen Berlin nach Westberlin verlaufenden S-Bahnstrecken werden - ausser Stadtbahn und Nord-Süd-Bahn im demokratischen Berlin durch Schaffung abgesicherter Gleislücken unterbrochen. Die Unterbrechung erfolgt durch den Einsatz von 8 Bautrupps der Reichsbahn an 12 Stellen. Diese Maßnahme erfolgt "X". Die durchzuführenden Bauarbeiten sind je Bautrupp durch 5 Kräfte der Transportpolizei, ausgerüstet mit taktischer Bewaffnung, zu sichern. Nach Abschluss dieser Unterbrechung beginnen und enden alle S-Bahnzüge der Stadtbahn aus und in Richtung Westen auf dem Bahnsteig "B" und aus und in Richtung Osten auf dem Bahnsteig "C" des Bahnhofs Friedrichstraße. S-Bahnzüge der Nord-Süd-Bahn halten nur auf dem Bahnhof Friedrichstraße. Alle weiteren Bahnhöfe auf dieser Strecke im demokratischen Berlin werden für den Reiseverkehr gesperrt.
S-Bahnzüge des Vollrings im demokratischen Berlin beginnen und enden auf dem Bahnhof Schönhauser Allee und Treptower Park. Die an der Grenze nach Westberlin liegenden Bahnhöfe Wilhelmsruh, Schönholz und Wollankstraße werden zum demokratischen Berlin hin geschlossen, um den Ein- und Ausstieg vom demokratischen Berlin aus nicht zuzulassen. Der im demokratischen Berlin gelegene Bahnhof Bornholmer Straße wird für jeglichen Publikumsverkehr geschlossen. Auf den S-Bahnstrecken
Oranienburg - Hohenneuendorf
Velten - Hennigsdorf
Potsdam - Griebnitzsee
Rangsdorf - Mahlow
wird zur Bedienung des örtlichen Nahverkehrs ein S-Bahn-Pendelverkehr eingerichtet. Auf den übrigen S-Bahnstrecken der Deutschen Demokratischen Republik nach Westberlin wird der Zugverkehr eingestellt. Die Züge auf der Strecke Basdorf - Wilhelmsruh enden auf dem bahnhof Schldow.

3. Die U-Bahnzüge der Linie A aus und in Richtung Pankow enden und beginnen auf dem U-Bahnhof "Thälmannplatz" und aus und in Richtung Westberlin auf dem U-Bahnhof "Potsdamer Platz". Die U-Bahnzüge der Linie C halten im demokratischen Berlin nur auf dem Bahnhof Friedrichstraße. Alle anderen im demokratischen berlin gelegenen U-Bahnhöfe werden für jeglichen Publikumsverkehr gesperrt. Die im demokratischen Berlin gelegenen U-Bahnhöfe der Linie D werden für jeglichen Publikumsverkehr gesperrt. Der Bahnhof Warschauer Brücke der U-Bahnlinie B wird für jeglichen Publikumsverkehr gesperrt.

4. Der Güterverkehr wird ohne Einschränkung mit den erforderlichen Kontrollmaßnahmen weiter durchgeführt.

Zur Durchführung der Kontroll- und Sicherungsaufgaben BEFEHLE ICH,

1. Der Kommandeur des Transportpolizeiabschnitts Berlin ist verantwortlich für die Durchführung der Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen des Reise- und Güterverkehrs an der Grenze von der Deutschen Demokratischen Republik nach Westberlin und vom demokratischen Berlin nach Westberlin im
Fernverkehr
S-Bahnverkehr
U-Bahnverkehr
Die Hauptanstrengung ist auf den Sicherungsbereich des Transportpolizeiamtes Ostbahnhof zu richten.

2. Die Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen sind mit der Aufgabe durchzuführen:

a) im Fernverkehr
Durchführung der Paß- und Zollkontrolle im Zusammenwirken mit den Kräften des AZKW (Amt für Zoll- und Warenkontrolle d.V.) zur Verhinderung, daß Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Berlin ohne Genehmigung Züge in Richtung Westberlin oder Westdeutschland benutzen sowie Kontrolle der aus Richtung Westen kommenden Reisenden.

b) im S-Bahnverkehr
Durchführung von Kontrollmaßnahmen zur verhinderung, daß Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Berlin ohne Genehmigung nach Westberlin fahren. Durchführung von Sicherungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit auf den Übergangs- und Endbahnhöfen sowie auf den Bahnhöfen der Strecken des Pendelverkehrs in den Randgebieten Berlins und an den Grenzübergängen im demokratischen Berlin. Sicherung der auf der Nord-Süd-Strecke für den Publikumsverkehr gesperrten Bahnhöfe zur Verhinderung des unberechtigten Ein- und Aussteigens.

c) im U-Bahnverkehr
Sicherung des U-Bahnhofs Friedrichstraße, um zu verhindern, daß Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Berlin die U-Bahn ohne Genehmigung zur Einreise nach Westberlin benutzen. Sicherung des U-Bahnhofs Potsdamer Platz zur Gewährleistung, daß jeglicher Publikumsverkehr Richtung Osten unterbleibt. Ein- und Ausgänge Richtung demokratisches Berlin sind zu schließen. Sicherung der bahnhöfe im demokratischen Berlin, die für den Publikumsverkehr gesperrt sind, zur Verhinderung des unberechtigten Ein- und Aussteigens. Sierung des U-Bahnhofs Thälmannplatz zur Gewährleistung, daß jeglicher Verkehr aus Richtung Pankow hier endet. Ausgenommen von den Maßnahmen des Punktes 2 a bis c sind Angehörige der Reichsbahn, die in Westberlin arbeiten und sich mit einem Ausweis ausweisen können, aus dem ihr Beschäftigungsnachweis in Westberlin hervorgeht. Die Ausgabe von Genehmigungen für die Einreise nach Westberlin für Bürger der Deutschen Demokratischen Republik und des demokratischen Berlin wird in einer gesonderten Weisung geregelt.

d) im Güterverkehr:
Durchführung der Kontrolle der Güterzüge an den Übergängen von der Deutschen Demokratischen Republik und dem demokratischen Berlin nach Westberlin, um zu verhindern, daß Personen auf diesem Wege nach Westberlin ein und ausfahren.

3. Erforderlich sind:
Einrichtung eines KPP (Kontrollpunkt d.V.) auf dem Bahnhof Friedrichstraße (Fernbahn, S-Bahn und U-Bahn). Einrichtung von Sicherheitsstützpunkten auf den Bahnhöfen Schönhauser Allee, Treptower Park, Alexanderplatz und U-Bahnhof Potsdamer Platz. Einsatz von Sicherungsposten auf den für den Publikumsverkehr gesperrten S- und U-Bahnhöfen sowie auf den Strecken mit Pendelverkehr. Einsatz von Sicherungsposten auf dem U-Bahnhof Thälmannplatz. Einsatz von Kontroll- und Sicherungsposten an den Grenzübergängen nach Westberlin zur Sicherung der Übergänge und Kontrolle des Güterverkehrs.

4. Im übrigen Dienstbereich sind die Aufgaben entsprechend der Lage schwerpunktmäßig durchzuführen, wobei die Fernbahnhöfe im demokratischen Berlin besonders zu berücksichtigen sind.

5. Der Einsatz der Kontroll- und Sicherungskräfte erfolgt gemäß Anlage 1.

6. Zur Gewährleistung dieser Maßnahmen ist für den Abschnitt Berlin mit "X"-Zeit Alarmstufe II auszulösen. Die Führung der Kräfte hat vom Transportpolizeiabschnitt über die Ämter und Reviere zu erfolgen. Dabei hat der Stab des Abschnitts sowie die Stäbe der Ämter die Arbeit aufzunehmen. Die Verbindung ist mittels Draht (OB- und Basa-Leitung) durch die Melder aufrecht zu erhalten.

7. Zur Durchführung der Aufgaben wird der transportpolizeiabschnitt mit 815 Kräften aus den Abschnitten der Transportpolizei der Republik verstärkt. Die Zuführung der Kräfte ist "X" + 10 Stunden abzuschließen und hat gemäß dem Plan der Zuführung (Anlage 3) zu erfolgen. Für alle Einsatzkräfte - ausser den Kontrollkräften - ist der Zwei-Schichten-Dienst einzuführen. Kontrollkräfte sind im Drei-Schichten-Dienst einzusetzen. Es ist zu gewährleisten, daß die Besetzung des gesamten Sicherungsbereiches in der ersten Dienstschicht durch Kräfte des Abschnitts Berlin zu erfolgen hat und bis "X" + 4 Stunden abzuschließen ist.

8. Das Zusammenwirken ist zu organisieren mit
dem Kommandeur des Sicherungskommandos der PdVP (Präsidium der Volkspolizei d.V.)
dem Kommandeur der 13. und 14. Grenzbereitschaft,
dem Leiter des AZKW Berlin,
den nachgeordneten Kommandeuren.
Zum Stab des PdVP sowie zum Büro des Präsidenten der Reichsbahndirektion ist je ein Verbindungsoffizier einzusetzen.

9. Auf dem Bahnhof Friedrichstraße ist ein Filtrierpunkt einzurichten und durch Kräfte des Abschnitts Berlin die Zuführung, Vernehmung und weitere Veranlassung zugeführter Personen zu gewährleisten. Die Zuführung von Personen in den übrigen Sicherungsabschnitten erfolgt im demokratischen Berlin zu den Filtrierpunkten der Volkspolizei-Inspektionen und im Randgebeit zu den Filtrierpunkten der zuständigen VPKA (Volkspolizei-Kreisämter d.V.)

10. Die Kommandeure und Polit-Organe haben in Verbindung mit den Partei- und FDJ-Organiasationen (FDJ: Freie Deutsche Jugend d.V.) eine verstärkte politisch-ideologische Arbeit unter den Offizieren, Unterführern und Wachtmeistern durchzuführen. Es ist zu gewährleisten, daß alle Befehle und Dienstvorschriften konsequent und gewissenhaft erfüllt und keine Verletzung der geheimhaltung zugelassen werden.

11. Die Bewaffnung und Ausrüstung der zur Sicherung und Kontrolle engesetzten Kräfte erfolgt:
- für Kräfte auf Bahnhöfen mit Pistole, Schlagstock und Schirmmütze;
- für Kräfte am Grenzübergang mit taktischer Bewaffnung.

12. Die Unterbringung und Versorgung der eigenen und zugeteilten kräftew ist zu organisieren durch das Versorgungsorgan des Präsidenten des PdVP. zur Unterbringung der zugeteilten Kräfte sind die Baracken, Schulungsräume und Zelte zu verwenden. Für die taktische Bewaffnung der zugeteilten Kräfte sind Lagermöglichkeit und Sicherung zu gewährleisten.

13. Als Grundlage für den Gebrauch von Schußwaffen gilt mein Befehl 39/60.

14. Meldungen:
- Abschluß der Arbeiten der Bautrupps der Reichsbahn zur Unterbrechung der Streckenführung im S-Bahnverkehr
- Herstellung der Einsatzbereitschaft der Kräfte.
- Besetzung der angewiesenen Sicherungsabschnitte.
- Lagemeldung alle 2 Stunden nach Auslösung der Maßnahmen bis "X" + 12 Stunden.
- Weitere Lagemeldungen alle 6 Stunden, erstmalig "X" + 17 Stunden.
- Besondere Vorkommnisse sofort.
Alle Meldungen sind entsprechend der Meldeordnung der Stäbe an die Hauptabteilung Transportpolizei zu leiten. Alle weiteren Befehle erhalten Sie vom Leiter der Hauptabteilung Transportpolizei.

Berlin, 12. August 1961

KARL MARON
Minister des Inneren der Deutschen Demokratischen Republik


Die Tage um den Mauerbau bei der Berliner U-Bahn
Netzspinne der Berliner U-Bahn 1961

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