Blinde Bauwerke
Die xLinie 10x - Berlins Phantomlinie
U-Bhf. Jerusalemer Straße: Marcus kommt mit der U-Bahn
Danke André!
Was ist eine Phantomlinie? Es ist eine U-Bahnlinie, die nicht existiert aber doch irgendwie gegenwärtig ist und zu Spekulationen anregt. Eine solche U-Bahnlinie ist die U10. Erste konkrete Pläne, diese Linie zu bauen stammen aus der Zeit um 1929, als der damalige Stadtrat für Verkehr, Ernst Reuter, einen U-Bahnausbauplan bekannt gab, der von der Stadtverordnetenversammlung abgesegnet wurde. Dieser Plan umfasste neben vielen anderen Projekten auch den Bau einer Westverlängerung der Linie E vom Alexanderplatz bis zum Schöneberger Kleistpark. Zu diesem Zeitpunkt existierte bereits ein kurzes Tunnelstück und sogar schon ein kompletter U-Bahnhof: Alexanderplatz. Der Bahnhofsbereich für die Linie E (heute U5) wurde viergleisig mit zwei Mittelbahnsteigen angelegt: Auf den Außengleisen sollten dereinst die Züge nach Weißensee bzw. nach Siemensstadt fahren. Dieses Linienprojekt trug damals die Bezeichnung Linie F. Bei dem eben erwähnten Tunnelstück handelt es sich um den so genannten Weißenseer Tunnel, der am Bahnsteigende Alexanderplatz beginnt und die Linie E unterquert. Er ist etwa 150 Meter lang. Ein zweiter parallel verlaufender Tunnel von etwa 70 Meter Länge existiert ebenfalls. Beide Tunnel entstanden um 1927. Ab 1930 konnte zumindest der 150 Meter lange Tunnel zum Abstellen von Zügen genutzt werden.
Der Weißenseer Tunnel unter dem Alexanderplatz
Obere Bilder: untergrundbahn.de
U-Bhf. Alexanderplatz : Rechts das Gleis Richtung
Weißensee
Nach dem Reuterplan von 1929 sollte die Linie-E-Erweiterung so gegen 1935 eröffnet werden. Allerdings rechnete damals keiner mit dem Börsenkrach in New York, der letztlich auch Deutschland in eine tiefe Rezession stürzte. Die begonnenen U-Bahnprojekte auf dem Wedding und in Neukölln mussten bis 1931 abgebrochen werden, an den Bau der Verlängerung der Linie E dachte nun niemand mehr.
Mitte der 30er Jahre plante das Reichswasserstraßenamt den Umbau der Spreeschleuse am Mühlendamm. Dieser Umbau fand ab 1937 statt und erforderte den Abriss der alten Mühlendammbrücke, die durch ein Provisorium ersetzt wurde. Noch bis weit in den Krieg hinein wurde an diesem Projekt gearbeitet, allerdings konnte die Mühlendammbrücke nicht mehr fertig gestellt werden. Die provisorische Brücke blieb bis in die 60er Jahre hinein erhalten. Unter der Schleuse entstand in diesem Zusammenhang ein U-Bahntunnel. Der Rechtecktunnel hat eine Länge von etwa 90 Metern und reicht vom westlichen Ufer aus bis unter die Flussmitte, ist am Ufer zusätzlich mit einem Flutschutztor versehen. Als der Tunnel-Abschnitt 1942 baulich fertig war, wurde er der Rüstungsindustrie übergeben und bis Kriegsende zur Produktion von Flugzeugmotoren genutzt. Nach dem Krieg wurde der Tunnel geräumt und anschließend der BVG-Ost übergeben, die mit diesem Tunnel allerdings nichts anfangen konnte, da er keinerlei Bezug zum bestehenden Tunnelnetz der U-Bahn hatte.
Plan aus rechtlichen Gründen offline genommen
In Planmitte das Tunnelfragment am Mühlendamm
1995 übergab die BVG den Tunnel an den Berliner Senat. Der Senat hatte das darüber liegende bislang unbebaute Grundstück an einen Investor verkauft, der sich nun Sorgen machte, ob der Tunnel im Stande wäre, ein Häuserfundament zu tragen. Nach Erstellung von Gutachten entschied man sich, den Tunnel mit Beton zu verfüllen, was 1998 erfolgte. Schon damals stand fest, sollte die U-Bahn doch gebaut werden, würde sie im Schildvortrieb parallel verlaufen. Weder der Bausenat noch die BVG hatten ein Interesse am Erhalt dieses Tunnels.
Erwähnenswert ist noch die Tatsache, dass dieser Tunnel nun nicht mehr für die Linie E geplant war, sondern für eine noch nicht existierende Linie F. Es wurden die geplanten Linienverläufe westlich des Alexanderplatzes nämlich getauscht: Die Linie E sollte nun nicht mehr über Kleistpark nach Steglitz erweitert werden, sondern nach Siemensstadt. Andersrum sollte die Linie F anstatt nach Siemensstadt nun nach Steglitz führen. Somit war nun die Linie U10 als "Linie F" planerisch fixiert. Übrigens sollte mit dem Bau des Mühlendamm-Tunnels nicht ein U-Bahnprojekt verwirklicht werden, es war nur eine Bauvorleistung für spätere Zeiten.
Nachdem der Krieg zu Ende war, dachte in Berlin niemand an eine Erweiterung des U-Bahnnetzes. Vielmehr war es damals erstmal erforderlich, das Bestandsnetz wieder herzurichten. Es gab um 1947 allerdings Überlegungen, einige Streckenabschnitte des Bestandsnetzes zu begradigen, die sich als betriebliche Engpässe erwiesen haben. Ernst Reuter aber war der Ansicht, dass man diese nicht unerheblichen Geldaufwendungen lieber in den Streckenneubau investieren sollte. Bald darauf schlug Reuter in seiner Funktion als Verkehrsstadtrat einen ersten Ausbauplan für die U-Bahn vor. Dieser Plan sah auch den Bau einer "U-Bahnlinie Weißensee - Steglitz" vor, eben im Sinne der Linie F. An eine Bauausführung aber dachte damals noch keiner, andere U-Bahnprojekte waren wichtiger. 1953 beschloss der Reuter-Senat (er war nun Regierender Bürgermeister in den Westsektoren) im Westteil der Stadt den umfassenden Ausbau des U-Bahnnetzes, der zunächst mit der Linie C-Nord begonnen werden sollte.
Im Jahre 1955 verabschiedete der Bausenat einen detaillierten Ausbauplan, der auch die Linie F nun konkret wieder vorsah. Allerdings genoss die Linie F keine hohe Priorität, da sie zu gleichen Teilen sowohl durch die West- als auch durch den Ostsektor verkehren sollte. Was den West-Part betraf, wurde, wo es möglich und nötig war, auf diese Planung in jeder Form Rücksicht genommen.
Plan aus rechtlichen Gründen offline genommen
Die südliche Berliner Innenstadt mit der U10-Planung
des West-Berliner Senats
Der Osten berücksichtigte diese U-Bahnplanungen anfänglich, verfolgte aber spätestens seit Ende der 60er Jahre eigene Ausbaupläne. Diese waren dann aber nur noch konkret, was den Bau der Strecke Alexanderplatz - Weißensee betrifft. Als der Alexanderplatz ab 1967 umgebaut und auf sein heutiges Format vergrößert wurde, hat man im Weißenseer Tunnel die Startschächte für die Schildvortriebsmaschinen mit gebaut. Nach damaliger Planung sollte 1970 der Bau der Linie F begonnen werden. Da der U-Bahnbau die ökonomischen Möglichkeiten der DDR ausgereizt hätte, sah man von diesem Projekt bald wieder ab.
Interessant wird es aber auch in der Leipziger Straße: Diese Straße wurde Anfang der 70er Jahre zwischen dem Spittelmarkt und der Friedrichstraße erheblich verbreitert und beiderseits neu bebaut. Auf der Südseite zum Beispiel entstanden die Journalisten-Hochhäuser, die ursprünglich niedriger sein sollten, als sie letztlich gebaut wurden: Springers Hochhaus an der Mauer in Kreuzberg sollte durch die Neubauten an der Leipziger Straße verdeckt werden und somit aus Richtung Grunerstraße unsichtbar sein. Jedenfalls wurde die Leipziger in diesem Bereich derart breit, dass man sich entschloss, querende Unterführungen für Fußgänger zu bauen. Es könnte sein, dass diese Unterquerungen genau so angelegt sind, dass sie zukünftig als Zugänge zu U-Bahnhöfen nutzbar wären. Dafür spricht zum Beispiel die Lage des Tunnels an der Jerusalemer Straße, der als Westzugang zum Bahnhof Dönhoffplatz dienen könnte. In späteren Jahren ist das Projekt Linie F im Osten nicht mehr weiter verfolgt worden. Man setzte vielmehr auf leistungsfähige Straßenbahnverbindungen.
Unterführung der Leipziger Straße: Zukünftiger U-Bhf.
Dönhoffplatz?
Im Jahre 1962 begann der West-Berliner Bausenat mit dem Bau der Linien G-Süd zwischen Spichernstraße und Walther-Schreiber-Platz sowie H-West zwischen Mehringdamm und Fehrbelliner Platz. Beide Projekte sollten die Linie F in ihrem West-Berliner Abschnitt berühren.
Was die Linie H-West betrifft, so handelt es sich um den heutigen U-Bahnhof Kleistpark der U7. Dieser Bahnhof wurde 1967 - 69 gebaut und erhielt unter dem Bahnsteig der U7 einen rohbaufertigen Bahnsteig für die Linie F, der sich in Achse der Potsdamer Straße befindet. Im Übrigen wurde die Linie F als Bauprojekt auch nach 1966 noch so bezeichnet, obwohl die BVG ihre U-Bahnlinien mit arabischen Ziffern bezeichnete. Für die BVG war damals klar, dass diese neue U-Bahnlinie bei ihrer Inbetriebnahme als Linie 10 bezeichnet werden sollte.
Am Walther-Schreiber-Platz hingegen wurde noch nichts gebaut, was mit der Linie 10 in Verbindung steht. Der U-Bahnhof, der ebenfalls 1967 - 69 entstand, wurde so konstruiert, dass zukünftig die Baufreiheit für die Linie 10 besteht. So gibt es kein Fußgängergeschoss, welches sich über dem zukünftigen U10-Bahnhof befindet. Ebenso gibt es keine Treppenabgänge, die zu einem U10-Bahnsteig führen könnten. Des weiteren gab es auch keine Kehrgleise südlich des Bahnhofs für die Linie 9, als diese 1971 ihren Betrieb bis zum Walther-Schreiber-Platz aufnahm, die Züge endeten am Bahnsteig. Erst wenn die Linie 10 gebaut werden sollte, war vorgesehen, das südliche Zwischengeschoss dieses Bahnhofs entsprechend anzupassen, in dem der U10-Vorhallenbereich an die südliche Vorhalle des U9-Bahnhofs anschließen wird. Dies ist bis heute nicht geschehen: Der Bahnhof Walther-Schreiber-Platz erstreckt sich auch heute nur auf den Baukörper, der für die U9 benötigt wird.
Erst als 1969 in der Schloßstraße der Bau für die Südverlängerung der U9 nach Steglitz begonnen wurde, war es nötig auch auf die U10 Rücksicht zu nehmen. Unmittelbar südlich des Bahnhofs Walther-Schreiber-Platz beginnt das Tunnelbauwerk viergleisig. Die Trasse beginnt sogleich mit einem Rampenbauwerk: Das Gleis Steglitz (Lankwitz) der U9 fällt ab in eine untere Ebene und verläuft dort parallel neben dem Gleis der U10 Lichterfelde. Das Gleis U10 Lichterfelde liegt genau unter dem Gleis U9 Wedding. Hingegen fällt das Gleis U10 Weißensee von Süden kommend ebenfalls ab, also gegenläufig zum Gleis U9 Steglitz (Lankwitz). Hiermit wird erreicht, dass die vier Gleise am U-Bhf. Schloßstraße richtungsbezogen nebeneinander liegen. Dies ist nötig, um den Fahrgästen in der Hauptlastrichtung ein bequemes und treppenfreies Umsteigen zwischen beiden Linien zu ermöglichen.
Rampenbauwerk unter der Schloßstraße Blickrichtung
Walther-Schreiber-Platz:
Rechts und hinter dem Pfeiler unten erkennbar: die Gleise der U10. Oben das
Gleis der U9 Fahrtrichtung Wedding.
Das Gleis der U10 unten ist das Richtungsgleis Weißensee, welches wenige Meter
weiter vor der Abschlusswand endet.
U-Bhf. Schloßstraße: Hier nutzt die U9 die Gleise der
U10
Aus diesem Grunde nutzt die U9 heute im Bahnhof Schloßstraße jeweils ein Gleis auf beiden Bahnsteigebenen, die direkt und deckungsgleich übereinander liegen. Noch ein Kuriosum: Anstatt der ihr zugedachten Gleistrassen nutzt die U9 hier heute die Gleistrassen der U10, denn nördlich des Bahnhofs wechseln die Gleise die Tunnelseite.
Zwischen W.-Schreiber-Platz und Schloßstraße:
Hier wechselt die U9 auf die Gleistrasse der U10 hinüber
Der Hintergrund liegt darin, dass die U9 von hier an die Tunnelanlagen der U10 nutzt, so auch den Bahnhof Rathaus Steglitz. Als der U-Bahnhof Rathaus Steglitz entstand, gab es nur im Bereich der U10 die Möglichkeit, eine umfassende Kehrgleisanlage zu erstellen, da der Platzbereich, unter dem die Kehrgleise liegen, ebenfalls zu dem Zeitpunkt umgebaut wurde. Andernfalls, hätte man für die U9 den endgültigen U9-Bahnhofsbereich ausbauen wollen, wäre es nötig gewesen, den S-Bahnhof Steglitz aufwändig zu unterfahren, was mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre.
Unabhängig von den vorgenannten Tunnelbauwerken gibt es bereits ein weiteres Tunnelbauwerk, welches für die Linie 10 bestimmt ist. Es handelt sich um den U-Bahnhof Innsbrucker Platz.
Der Innsbrucker Platz war früher ein Platz mit Kreisverkehr und zugleich Endbahnhof der Linie U4. Nach den Plänen des Berliner Bausenats sollte eine wichtige Stadtautobahn diesen Platz unterqueren. Man war bestrebt, diese Autobahn als Stadtring entlang der Ringbahn zu bauen, da hier in aller Regel ausreichend Platz zur Verfügung stand. Dennoch war gerade im Bereich Innsbrucker Platz der Abriss zahlreicher Wohngebäude nötig, um die Autobahn zu bauen. Ende der 60er Jahre wurde das Projekt begonnen. Für den Innsbrucker Platz bedeutete dies einen kompletten Umbau, da die Autobahn den Platz unterqueren sollte. Es war daher damals sinnvoll, neben dem neuen Autobahntunnel auch einen Großteil des für die U10 gedachten U-Bahnhofs mit zu erstellen, zumal auch beim U4-Bahnhof Umbauten erforderlich waren. Dort musste die alte aus dem Jahre 1910 stammende Kehrgleisanlage beseitigt werden. Stattdessen endeten die Gleise nun am Bahnsteig und südlich wurde ein umfassendes Zwischengeschoss für Fußgänger angelegt. Dieses Fußgängergeschoss, welches sich unmittelbar über dem Autobahntunnel befindet, verfügt über Verbindungstreppen zum Bahnsteig der U10, der wiederum unter dem Autobahntunnel befindlich ist. das Bahnhofsbauwerk, welches einen Mittelbahnsteig aufweist, wurde zwischen 1971 und 1979 erstellt und ist bis heute ohne Funktion.
Rohbaufertiger Bahnhof Innsbrucker Platz der U10
Gleistrog Einfahrt U-Bhf. Innsbrucker Platz Richtung
Weißensee
Es waren nun eine ganze Menge Bauvorleistungen für die Linie 10 entstanden. Das alles lässt darauf schließen, dass der Bau der Linie 10 sehr konkret zu erwarten war. Das war er auch. Nach dem Bau der neuen Linien G (heute U9) und H (heute U7) sollte der Bau dieser damals als Linie F bezeichneten Strecke in Angriff genommen werden. Konkret war dies geplant, nachdem die U7 Spandau und die U8 Wittenau bzw. das Märkische Viertel erreicht haben würde. Anfang der 70er Jahre war man der Ansicht, dass dies Mitte bis Ende der 80er Jahre der Fall sein sollte, so dass man Mitte der 80er Jahre mit dem Bau der Linie 10 beginnen könnte. Zunächst war ein Bau von Rathaus Steglitz bis Kurfürstenstraße vorgesehen, wobei man sich die Option offen hielt, gleich bis zum Kulturforum weiter zu bauen. Im Laufe der Jahre wurde der Baubeginn auf 1985 konkretisiert, so dass mit der Fertigstellung um 1990 oder wenig später zu rechnen war.
Der Verlauf der U10 im Bereich Tiergarten - Steglitz
Plan aus rechtlichen Gründen offline genommen
Tiergarten: Die U10-Planung in der Potsdamer Straße
Schöneberg: Die U10-Planung in der Potsdamer- und
Hauptstraße
Friedenau: Die U10-Planung in der Rheinstraße
Steglitz: die U9- und U10-Planungen in der Schloss- und
Mittelstraße
Grundsätzlich begrüßte die BVG den Bau der Linie 10, die seitens der BVG sogar schon eine Linienfarbe, nämlich schwarz, erhalten hatte. Allerdings hatte man bei der BVG Bedenken, was den Endbahnhof Rathaus Steglitz betrifft. Dort nutzte, wie schon erwähnt, die U9 den U10-Bahnhof. Man war der Ansicht, dass es aus betrieblichen Gründen notwendig wäre, den U9-Bahnhof für die U9 fertig zu stellen, damit auch zukünftig ausreichende Abstellkapazitäten für beide Linien bestehen würden. Dies würde bedeuten, dass der Tunnel vom rohbaufertigen oberen Bahnsteigbereich unter der S-Bahn hindurch bis in die Mittelstraße vorgetrieben werden müsste. Nun gab es Überlegungen, ob es nicht sinnvoll sei, wenn man schon dabei sei, die U9 voll auszubauen, diese Linie gleich nach Lankwitz zu erweitern. Diese Idee fand immer breiteres Gehör und führte dazu, nun abzuwägen, ob es sinnvoller sei, anstatt der U10 erst die U9 bis Lankwitz-Kirche zu bauen. Dennoch wurde an einen Baubeginn im März 1985 festgehalten.
Womit damals keiner rechnete, waren die Erfolg versprechenden Verhandlungen über die S-Bahnfrage zwischen dem Westberliner Senat, der Deutschen Reichsbahn, der DDR und den Alliierten. Bekanntlich wurde die S-Bahn auch in West-Berlin damals von der DDR-Reichsbahn betrieben. Diese Verhandlungen führten schließlich dazu, dass die S-Bahn an eine "vom Westberliner Senat zu bestimmende Stelle" übergeben werden sollte. Im Klartext bedeutete dies, dass die BVG den S-Bahnbetrieb am 9. Januar 1984 übernehmen sollte. Da die S-Bahn damals in einem sehr desolaten Zustand war, beschloss der Senat, bereitstehende U-Bahngelder in den Wiederaufbau der S-Bahn zu investieren. Für den weiteren Netzausbau der U-Bahn bedeutete dies, eine erhebliche Streckung Baues und der Fertigstellung neuer U-Bahnstrecken. Die sehr weit fortgeschrittenen Pläne der U10 ruhten einstweilen.
Aber es ging noch weiter: Im Sommer 1985 gab der Senat einen Plan bekannt, betreffend den weiteren Ausbau des so genannten "Schnellbahnnetzes". Hierin nun tauchte die U10 nicht mehr auf. Man war nämlich nun der Ansicht, dass die Wannseebahn das Fahrgastpotenzial der U-Bahn mit übernehmen könnte, schließlich verläuft diese wenige hundert Meter westlich jener S-Bahnlinie. Und somit wurde 1985 was beschlossen, was heute noch Bestand hat: Die U10 wird nicht gebaut.
Am Rande sei hier noch erwähnt, dass es seit der Wiedervereinigung eine neue U-Bahnplanung gibt. Damals fuhr die U3 von Uhlandstraße bis Wittenbergplatz. Es gibt konkret seit 1996 die Planung, diese Linie ab Wittenbergplatz durch das Tiergartenviertel zum Potsdamer Platz zu verlängern. Von da an soll die U3 der bisherigen U10 Planung folgend nach Weißensee führen. Es gibt Gerüchte, diese Linie als Großprofillinie zu bauen, also genauso wie einst die U10, hingegen aber ist völlig offen, wann mit einem Bau dieser Linie zu rechnen ist.
Es gab vor einigen Jahren die Überlegung, die alte DDR-Planung von um 1970 wieder aufleben zu lassen, in dem man zunächst die U3/U10 von Alexanderplatz nach Weißensee bauen wollte. Sofort gab es Proteste aus der Bevölkerung wegen der Baubelästigungen und der enormen Kosten, zumal es leistungsfähige Straßenbahnlinien auf dieser Streckenrelation gibt. Der Senat hatte ein Einsehen und legte die Pläne zu den Akten.
Immerhin geschah doch noch etwas: Im rohbaufertigen U-Bahnhof Rathaus Steglitz der U9 wurde um 1989 ein Kehrgleistunnel unter dem S-Bahnhof angelegt, so wie er beim Bau der Strecke 1969-74 eingespart wurde. Freilich ist dieser Tunnelbereich auch eine Bauruine, denn die BVG nutzt den neuen Tunnel bislang nicht. Seit jüngster Zeit kursieren Gerüchte, den U9-Bahnhof nun doch fertig zu stellen und für die U9 in Betrieb zu nehmen. Man erhofft sich kürzere Umsteigewege zwischen U-Bahn und S-Bahn. Sollte es wirklich dazu kommen, würde das einzige derzeit wirklich genutzte Tunnelbauwerk der U10 eine Bauruine werden.
U-Bhf. Rathaus Steglitz:
Bald eine Bauruine?
Bleibt noch das letzte Planungsstück der U10: Die Strecke von Rathaus Steglitz nach Lichterfelde (Drakestraße). Dieses Projekt genoss nie hohe Priorität. Zu gegenwärtigen Voraussetzungen würde sich anbieten, diese Strecke als Bestandteil der Linie U9 zu bauen. Es wurde nie daran gedacht, diese Strecke in nächster Zukunft zu bauen. Seit 1996 taucht sie nicht mal mehr in den U-Bahnunterlagen auf, ganz im Gegensatz zur U9-Verlängerung von Rathaus Steglitz bis Lankwitz Kirche, die zumindest im aktuellen Flächennutzungsplan noch erwähnt wird. Dennoch hat auch jenes Projekt, welches um 1989 als vordringlich eingestuft wurde, keine Chance in den nächsten Jahren verwirklicht zu werden.
Am 31. Oktober 2008 hat mir ein Leser namens "phantom" folgenden Gästebuch-Eintrag zugesandt, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Er beschreibt die Probleme bei einem 1995 begonnenen U-Bahnbau nach Weißensee, der so natürlich nie stattgefunden hat. Aber so in etwa hätte es sich abspielen können. Hier die kleine amüsante Geschichte, die sich so sicher nur in Berlin ereignet hätte:
Eine
Geschichte, die sich wahrscheinlich zugetragen hätte Am 1. Juli 1995 gab der Berliner Senat grünes Licht für den Start eines U-Bahnbauprojekts im Nordosten Berlins. Es war nach langen Protesten und jahrelangem Geldmangels endlich möglich, Weißensee ans Berliner U-Bahnnetz zu bekommen. Keiner ahnte zu der Zeit, welche Katastrophe sich anbahnen sollte: Schon 1996 gab es Ärger, weil beim Tunnelbau unweit des Friedrichshains Skelette einer alten Grabstätte gefunden wurden. Der Weiterbau geriet ins Stocken. 1998 gab es an der Marienburger Straße mehrere Bombenfunde aus dem 2. Weltkrieg. Nur knapp entging die Greifswalder Straße einer Katastrophe. Bald darauf geriet der Bau für viele Monate ins Stocken, weil das Geld fehlte. Erste Bürgerproteste mehrten sich. Es fehlte mittlerweile die Straßenbahnanbindung. Monatelange Staus in Richtung Weißensee und umgekehrt. Wer A sagt, muss auch B sagen: 1999 im September baute man weiter bis zur Danziger Straße. Am Thälmannpark stürzt Anfang 2000 ein schon fertiges Tunnelstück ein. 10 Arbeiter werden zum Glück nur leicht verletzt. Greifswalder Straße S-Bahnhof gab es wenige Probleme. Die nächsten Probleme ergaben sich an der Ostseestraße. Ein Bürgerbegehren setzte sich für eine Station an der Kreuzung Ostseestraße ein. Es geriet der Bau für 1 Jahr ins Stocken. Hinter der Station Gürtelstraße, die im Sommer 2002 fertiggestellt worden war, gab es nur noch Ärger. Mehrere alte Mietshäuser wiesen nach den Tunnelbauarbeiten Risse und gravierende bauliche Schäden auf. Bis 2004 wurde der Weiterbau abermals unterbrochen. Es gab massenhaft Ärger mit dem Bürgermeister, den Anwohnern und dem Senat. Bis 2005 wurde verhandelt, ob der Bau an der Gürtelstraße für immer enden sollte. Da Weißensee in einem Verkehrschaos zusammenzubrechen drohte, wurde also weitergebaut. Viele Geschäfte in der Berliner Allee hatten schon aufgegeben, weil die Kundschaft verprellt worden war. Als man schließlich 2007 den Weißen See erreichte, drang viel Wasser in die Schächte und es gab wieder viel Ärger. An der Falkenberger Straße schließlich rutsche eine Giebelwand der Kirchengemeinde ab. Man hatte fertig!! Sonst sind alle Bahnhöfe in freundlichen Kacheln gehalten: Am Friedrichshain sind grüne Fliesen mit dem Abblild des Märchenbrunnens und des Alten Fritz. An der Marienburger Straße entschloss man sich für weinrote Fliesen. In der Mitte der Fliesenwand ist ein Bild der alten Marienburg, die junge Menschen heute kaum kennen können. U-Bahnhof Danziger Straße hat eine Ladenstraße bekommen, von der man bequem die Tram in der Danziger Straße besteigen kann. Hellgelbe Fliesen mit Bildern von Danzig und der Ostsee sind geschmackvoll angeordnet worden. Der Bahnhof Greifswalder Straße ist eher funktionalistisch gestaltet worden - als wäre kein Geld übrig gewesen. Ab Gürtelstraße sind die Fliesen mehr mit Gras- und Wiesenornamenten wie auf der Strecke nach Wittenau gestaltet worden. Am 1. Oktober 2008 wurde der Bahnhof unter Beisein des Regierenden und der ganzen Verkehrsmannschaft eröffnet. Selbst bei der Eröffnungsfeier gab es noch Proteste, weil viele ihre Straßenbahn zurückhaben wollten. Es flogen Farbeier. Einer rollte an der Wegener Straße ein volles Bierfass auf die Fahrbahn. Doch das Fass blieb zu. Jetzt geht die Entscheidung dahin, wann die nächste Bauerei der U 10 losgeht. Mitte und Schöneberg schwitzen heute schon, denn alle haben den Bau nach Weißensee mitverfolgt. Die Berliner sind hart im Nehmen! Berliner kennen keinen Schmerz! |
Dieses Dokument ist Bestandteil von
Berliner-Untergrundbahn.de