Die ehemaligen Stromwagen
der BVG-Ost
Die besondere Situation der BVG-Ost
Die U-Bahn der BVG-Ost war ein Kuriosum: Eine Linie, die Linie A, war eine Kleinprofillinie, die andere Linie, die Linie E, dagegen eine Großprofillinie. Doch damit nicht genug der Unterschiede: Nur an der Linie E war eine Werkstatt vorhanden, an der Linie A nicht. So war es sinnvoll, die Wagen der Kleinprofillinie in der Werkstatt der Linie E zu warten. Aus diesem Grunde wurde Anfang ein Verbindungstunnel (der "Klostertunnel") zwischen beiden Linien in der Nähe des Alexanderplatzes geschaffen.
Das U-Bahnnetz der BVG-Ost
Dennoch war es keineswegs einfach, einen Kleinprofilzug nach Friedrichsfelde in die Werkstatt zu fahren. Hierzu bedurfte es gewisser Vorbereitungen, was an den unterschiedlichen Stromversorgungen beider U-Bahnsysteme lag.
Die "Blumenbretter" (1952-1968)
Bis kamen auf der Großprofillinie E ebenfalls Kleinprofilwagen zum Einsatz. Diese sogenannten "Blumenbretter" (so genannt wegen der Holzbohlen zwischen Bahnsteig und Zugkante) wurden vor den zu transportierenden Zug gekuppelt und der Zug konnte nach Friedrichsfelde fahren.
Nach endete der Einsatz der Kleinprofilwagen, da mittlerweile ausreichend neue Großprofilzüge auf der Linie E zur Verfügung standen. Um weiterhin den Transport von Kleinprofilzügen zu ermöglichen, wurden sogenannte "Stromwagen" hergerichtet.
Dies waren normale Kleinprofilwagen, die für diesen Zweck umgebaut wurden.
Der erste Stromwagen (1961)
Der erste Stromwagen wurde hergerichtet. Hierbei handelt es sich um den gebauten hölzernen A-I-Wagen 212. Ein Wagen, der zuvor auf der Linie A im Einsatz war und über einen Führerstand verfügte. Er erhielt einen behelfsmäßigen zweiten Führerstand am bisherigen Beiwagenkuppelende. Außerdem wurde am Beiwagenkuppelende die komplette Signalbeleuchtung montiert sowie die Hochbahnkupplung gegen eine Scharfenberg-Kupplung getauscht.
Dieser Wagen war nun in der Lage einen mit Scharfenbergkupplungen versehenen A-II-Zug zu transportieren.
Das Transportverfahren
Der Transport sah wie folgt aus: Der A-II-Kleinprofilzug fuhr zur Wartung vom Bahnhof Klosterstraße aus in den "Klostertunnel" hinein. Technische Mitarbeiter montierten dann die Stromabnehmer ab, da sie sonst mit den Großprofil-Stromschienen in Berührung geraten und beschädigt worden wären. Anschließend kam von der Linie E der Stromwagen 212 und wurde mit dem A-II-Zug gekuppelt. Außerdem wurde die Starkstromleitung verbunden. Nach einem Funktionstest konnte die Transportfahrt beginnen. Mittels seiner Großprofil-Stromabnehmer lieferte der Stromwagen sämtlichen benötigten Strom für den gesamten A-II-Zug. Es ist also keine Schleppfahrt, der gesamte Zug konnte mit eigener Kraft fahren.
Wie schon angedeutet war der Stromwagen stets so zu kuppeln, dass er auf der Linie E Richtung Alex stand, und sich somit in Richtung Friedrichsfelde am Zugschluss befand. Bei der Rückfahrt zum Alex befand sich der Stromwagen immer an der Zugspitze.
Weitere Stromwagen (1969-1981)
Zweiter Stromwagen (1969)
, der Einsatz der Blumenbretter auf der Linie E war inzwischen beendet, wurde ein zweiter Stromwagen hergerichtet: Der Wagen 359. Dieser Wagen wurde für die Schöneberger U-Bahn gebaut und hatte damals die Wagennummer 12. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Triebwagen mit einem Führerstand. Auch dieser Wagen wurde entsprechend dem Wagen 212 umgebaut, allerdings behielt er an beiden Enden seine Hochbahnkupplungen. Mit diesem Wagen nämlich sollten A-I-Züge begleitet werden. Diese hatten sämtlich noch die Original-Hochbahn-Kupplungen.
Neue Wagennummern (1970)
wurde ein neues EDV-gerechtes Nummernschema für die Ostberliner U-Bahnwagen eingeführt. Die Stromwagen wurden umgezeichnet:
- Wagen 212: Neu: 710 006
- Wagen 359: Neu: 710 008
Dritter Stromwagen für A-IIU-Züge (1973)
Im Oktober ereignete sich ein Großbrand in einer Kehranlage am Alexanderplatz. Durch diesen Umstand befand sich die BVG-Ost in einer prekären Situation: Ihr fehlten U-Bahnwagen. Die BVG-West musterte zu diesem Zeitpunkt die letzten A-II-Züge aus. Allerdings wurden diese Züge bei der BVG-West in den 60er Jahren umfassend modernisiert. Sie waren mit den nicht modernisierten A-II-Zügen nicht kuppelbar, da ihre Steuerung völlig verändert wurde. Die BVG-Ost erwarb von der BVG-West Züge dieser Bauart für den ersatzmäßigen Einsatz auf der Linie A. Da sie sich von den Originalzügen derart unterschieden, erhielten sie die Baureihenbezeichnung A-IIU. Einer dieser erworbenen Umbauwagen kam bei der BVG-Ost nie in den Fahrgasteinsatz, sondern wurde gleich als Stromwagen für diese Zuggattung hergerichtet. Hierbei handelt es sich um den ehemaligen Wagen 321, der als Wagen der 19. Lieferung in Dienst gestellt wurde.
Er erhielt die Wagennummer 710 005 und war somit der dritte Stromwagen. Somit gab es für jede Zuggattung der Kleinprofillinie je einen Stromwagen.
Stromwagen für G-I-Züge (1978-1981)
erhielt die BVG-Ost die ersten Serienwagen des Typs G-I (Gisela). Um auch für diese vierte Fahrzeuggattung einen Stromwagen zu haben, wurde ein weiterer Wagen hergerichtet: Der Wagen 24, gebaut (A-I, 18. Lieferung) wurde für diesen Zweck ausgewählt. Er hatte seit die Wagennummer 125 404 und erhielt nun die Wagennummer 710 007.
Im Januar wurde für die Giselazüge ein weiterer Stromwagen benötigt. Zu diesem Zweck wurde der gebaute A-I-Wagen 19 der 18. Lieferung ausgewählt. Er hatte seit die Wagennummer 125 402 und erhielt die Arbeitswagen-Nummer 710 002.
Im Juli kam ein dritter Wagen für die Giselas hinzu: der ehemalige Wagen 304 der 18. Lieferung von . Insgesamt gab es nun sechs Stromwagen, fünf Wagen des Typs A-I und einer vom Typ A-IIU.
Im Oktober wurden abermals zwei Stromwagen hergerichtet. Einer löste den umgerüsteten (ehemals Schöneberger) Wagen 359 ab, der vermutlich schadhaft war. Dieser Wagen wurde zunächst in Friedrichsfelde abgestellt. Der Ersatzwagen, für den Transport von A-I-Zügen gedacht, war der Wagen 162, ein gebauter A-I-Wagen der 13. Lieferung. Er trug seit die Nummer 125 422 und seither die Nummer 710 008 und ersetzte somit nummernmäßig den Schöneberger.
Als weiterer Stromwagen wurde ein vierter Wagen für Gisela-Züge beschafft. Hierbei handelt es sich um den gebauten Wagen 18 der 18. Lieferung. Dies war der letzte Stromwagen, der beschafft wurde. Die BVG-Ost verfügte nun über sieben Stromwagen zum Transport der Werkstattzüge.
Das Ende der Stromwagen (1986-1998)
Um wurde der A-IIU-Wagen 005 (ehemals 321) abgestellt. Er wurde durch den Wagen 324 abgelöst, der die Nummer 128 708 trug. Die Arbeitswagennummer ist unbekannt.
Der abgestellte Schöneberger Wagen 359 wurde offiziell ausgemustert und zum Teil verschrottet. Ein erhaltener Wagenteil wurde museal aufgearbeitet und im U-Bahnhof Klosterstraße aufgestellt. Er steht heute noch dort im dritten nie genutzten Gleistrog.
Die übrigen sieben Stromwagen waren bis um im Einsatz. Da der Einsatz der Altbauwagen auf der Linie A im November endete, waren die für diese Fahrzeugserien benötigten Stromwagen bald überflüssig.
Der für die A-I-Züge bestimmte Wagen 162 wurde ausgemustert und verschrottet. Der für die A-II-Züge bestimmte Wagen 212 dagegen ging in den Bestand der AG-U-Bahn über, die diesen Wagen museal und fahrfähig erhalten hat. Die Ausmusterung des A-IIU-Wagens 324 dürfte ebenfalls nach erfolgt sein.
Die übrigen für die G-Züge beschafften Stromwagen dagegen wurden damals noch benötigt. Im Juni wurde als erstes der Wagen 24 ausgemustert. Es verblieben noch drei Stromwagen, die bis November im Einsatz waren. Seither werden die Kleinprofilzüge der Linie A wieder in Grunewald gewartet.
Im Januar wurden die Wagen 18 und 304 ausgemustert, der letzte Stromwagen, Wagen 19, wurde im Januar ausgemustert.
Übersicht: Alle Stromwagen bei der BVG-Ost
Liste aller Stromwagen bei der BVG-Ost:
| Typ | Wagennummer alt | ab 1970 | Arbeitswagen |
|---|---|---|---|
| Für Baureihe | Arbeitswagen seit | Abgestellt | Verbleib |
| A-I | 212 | 710 006 | 710 006 |
| für A-II | Museumswagen | ||
| A-I Schöneb. | 359 (früher 12) | 710 008 | 710 008 |
| für A-I | Klosterstraße | ||
| A-IIU | 321 | 710 005 | 710 005 |
| für A-IIU | verschrottet | ||
| A-I | 24 | 125 404 | 710 007 |
| für G-I | '93 verschrottet | ||
| A-I | 19 | 125 402 | 710 002 |
| für G-I | '98 verschrottet | ||
| A-I | 304 | 125 450 | 710 011 |
| für G-I | '95 verschrottet | ||
| A-I | 162 | 125 422 | 710 008 |
| für A-I | verschrottet | ||
| A-I | 18 | 125 400 | 710 012 |
| für G-I | '95 verschrottet | ||
| A-IIU | 324 | 128 708 | ? |
| für A-IIU | ? |