Die neue U-Bahn-Linie G

Eine Broschüre von 1961

Diese Premiere ist ein festliches Ereignis für ganz Berlin: 2. September 1961, Einweihung der neuen U-Bahnstrecke zwischen dem Leopoldplatz in Wedding und der Spichernstraße in Wilmersdorf. Sechs Jahre wurde an diesem bisher größten Bauvorhaben Berlins gearbeitet, rund 190 Millionen Mark kostete die sieben Kilometer lange Strecke. Vom Bezirk Wedding in 8,5 Minuten zur Zoo-City, zum Kurfürstendamm in 9,5 und zur Spichernstraße in 10,5 Minuten - das ist Berliner Tempo unter den Straßen der Stadt.

Als man 1949 in Berlin noch von der Enttrümmerung sprach, wälzten die Planer schon ihre Probleme zum Thema Großstadtverkehr. Mit dem Ende der Blockade begann zwar der Aufbau, doch die Motorisierung galt als Zukunftsproblem. Im Juni 1950 besaß jeder 54. Einwohner ein Kraftfahrzeug. Jetzt hat jeder zehnte Berliner seinen Wagen, in absehbarer Zeit wird es jeder fünfte sein. Das ist dann die Zeit, in der ein Kraftfahrer, der es sehr eilig hat, den Rest des Weges in die Innenstadt viel schneller mit der U-Bahn zurücklegt.

Nach einer 20jährigen, durch die Ereignisse bedingten Pause begannen 1953 die Bauarbeiten zur Erweiterung des U-Bahnnetzes. Jetzt steht im Tiefbauprogramm des Senators für Bau- und Wohnungswesen die U-Bahn an erster Stelle. Damit werden diejenigen Pläne wieder aufgegriffen, die der einstige Stadtrat für Verkehr, Ernst Reuter, der Berliner Stadtverordnetenversammlung schon 1929 vorgelegt hatte. Als am 31. Mai 1958 der erste Zug von der Seestraße nach Tegel fuhr, hat Berlins unvergessener Regierender Bürgermeister Ernst Reuter die Verwirklichung seiner Idee nicht mehr miterlebt. Heute benutzen täglich 75.000 Berliner diese Strecke.


Das zukünftige U-Bahnnetz

 

Vor dem Kriege war das Berliner U-Bahnnetz 80 Kilometer lang. In der Planung ist das Gesamtnetz mit 200 Kilometern Länge und dichten Innenstadt-Verbindungen festgelegt. Mit der jetzt eingeweihten Nord-Süd-Linie haben vor allem die Bewohner der Bezirke Reinickendorf, Wedding, Tiergarten, Charlottenburg und Wilmersdorf eine schnelle und bequeme Verbindung zur westlichen City Berlins.


Tunnelarbeiten am Landwehrkanal im Tiergarten

Man sprach in Berlin nur noch vom großen Buddeln der Baubehörde, und das ist eine Chronik für sich. An vier Stellen mußten bestehende U-Bahn-Linien "unterfahren" werden, und über der Erde waren Verkehrsumleitungen und Slalomfahrten für Autofahrer nicht zu vermeiden. Die Geduld der Berliner ist jetzt belohnt. Karikaturen an Bauzäunen und selbst im Tunnel zwischen Zoo und Hansaviertel brachten die heitere Note in das ernsthafte Baugeschehen.

Hier wurde unter dem Landwehrkanal, dort unter der Spree und dann auch noch unter dem Berlin-Spandauer-Schiffahrtskanal ein Tunnel gebaut. Während der "Internationalen Bauausstellung 1957" ist im Hansaviertel an Tief- und Hochbauten gleichzeitig gearbeitet worden. Dafür wurde der Bahnhof Hansaplatz aber auch schon die erste unterirdische Sehenswürdigkeit inmitten der Anziehungspunkte an der Oberfläche. Wo noch keine Schienen lagen, lud eine Kleinbahn zur Tour durch den Tunnel ein.


An der Spichernstraße kreuzen sich die Linien A und G.

 

In Moabit wurde unter Wohnhäusern, an der Putlitzstraße unter S-Bahn-Gleisen gebaut. Ganze Straßenzüge waren zeitweilig Baugruben, jetzt führt der Tunnel bis zur großen Abstellanlage am Leopoldplatz. Die Strecke in Stichworten: Bundesallee, Zooviertel, Hansaplatz, Lessingstraße, dann Wilhelmshavener-, Föhrer- und Neue Luxemburger Straße. Die Bilanz des Baugeschehens:

1.500.000 Kubikmeter Erde bewegt, 

270.000 Kubikmeter Konstruktionsbeton hergestellt, 

13.000 Tonnen Bewehrungsstahl eingebaut,

7.000 Meter Gasleitungen,

6.600 Meter Wasserleitungen, 

10.100 Meter Entwässerungsleitungen und

6.300 Meter Kabel verlegt.

Bei der Strom-, Gas- und Wasserversorgung durfte es keine Unterbrechungen geben, und auch die Kabel der Post, Polizei und Feuerwehr waren ohne Betriebsstörungen zu verlegen. Wurde an den gleichen Stellen mehrmals gearbeitet, sprach die Nachbarschaft von "Fehlplanung". Oft gab es aber keine andere Möglichkeit, als die vielen Versorgungsleitungen nacheinander einzeln zu verlegen.

Dann waren die Tunnel im Rohbau fertig, und der Ausbau begann. Dazu gehörte vor allem die architektonische Gestaltung der Bahnhöfe. Farbkontraste oder Wand-, Säulen- und Deckenverkleidungen geben den "Zweckbauten" eine erfreuliche Atmosphäre. Wirkte schon der Bahnhof Hansaplatz entsprechend, wurde auf die Gestaltung der Bahnhöfe Kurfürstendamm und Zoologischer Garten ganz besonderer Wert gelegt - hier sollte sich das geschäftige Treiben der City auch in der unteren Dimension fortsetzen. Wie bei verschiedenen anderen Bahnhöfen führt der Weg nicht nur zur U-Bahn. An den Ladenpassagen vorbei ist die gegenüberliegende Straßenseite unterirdisch und ungestört zu erreichen.

Die neue Methode des schotterlosen Gleis-Oberbaus ermöglichte geräuscharme Zugfahrten und geringere Unterhaltungskosten. Moderne Sicherungsanlagen erlauben Zugfolgen von nur 90 Sekunden, sämtliche Signale sind mit magnetischen Fahrsperren verbunden. Bei der neuen Linie G ist auch der Zugbegleiter überflüssig - seine Arbeit übernehmen zusätzliche Signale. Auf der gesamten Strecke wurden eingebaut:

21.000 Quadratmeter Wand- und Stützenverkleidung

23.000 Quadratmeter Fußbodenplatten

23.000 Quadratmeter Rabitzdecken

35.100 Meter Fahrschienen

21.000 Meter Schwellen und

100.000 Meter Signalkabel (runde Zahlen)

Die BVG wird auf der G-Linie mit modernen 15-Meter-Wagen der Zugtype D - wie schon auf der Strecke Grenzallee - Tegel - fahren. Zur Hauptverkehrszeit kann ein 6-Wagenzug etwa 1200 Fahrgäste befördern. Die mittlere Reisegeschwindigkeit der Züge - 35 Kilometer in der Stunde - und die bequemen Wagen gehören zum Tempo und Komfort auf der neuen Strecke.

In diesem Jahr wurde mit dem Bau der H-Linie zwischen Mehringdamm und Fehrbelliner Platz begonnen. Die Bauarbeiten zwischen Grenzallee und Britz-Süd (C 1) und von Tempelhof bis Alt-Mariendorf (C 2) werden fortgesetzt, eine Verlängerung der G-Linie von der Spichernstraße nach Steglitz ist vorbereitet. Was 1929 mit den Bauplänen Ernst Reuters begann und 1953 mit finanzieller Bundeshilfe in die Tat umgesetzt wurde, endet nicht mit den Erweiterungs-Feierlichkeiten am 2. September 1961. Die Linie G hatte ihren, doch auf den U-Bahnbaustellen zwischen Grenzallee und Britz, zwischen Tempelhof und Mariendorf, zwischen Mehringdamm und Fehrbelliner Platz gab es nicht eine Stunde Pause

Herausgegeben vom Senator für Bau- und Wohnungswesen

Text: Wolfgang Henning

Gestaltung: Reinhold Crämer

Fotos: Bild-Waldthausen, Landesbildstelle Berlin, Senator für Bau- und Wohnungswesen

Druck: Wilhelm Kluge Buch- und Offsetdruckerei, Berlin N 65

Zur Linie G



Rohbaufertiger Tunnel am zwischen Zoo und Hansaplatz


U-Bahnbauarbeiten am Kurfürstendamm


Baugrube am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal


Endausbau an einem der Bahnhöfe der Linie G


Schotterloser Gleisoberbau


Der fertige Bahnhof Zoologischer Garten

Die Bilder stammen aus der Eröffnungs-Festschrift


Wer mit der Zeit geht,
nimmt die U-Bahn!

Mit der Eröffnung der U-Bahnlinie Leopoldplatz-Spichernstraße ist dem Berliner U-Bahnnetz wieder ein wesentliches Stück eingefügt worden. Auch die gleichzeitige Wiedereröffnung der U-Bahnlinie Wittenbergplatz-Uhlandstraße unter Zwischenschaltung eines neuen U-Bahnhofes "Kurfürstendamm" an der Ecke Joachimsthaler Straße bedeutet eine willkommene Wiederergänzung des U-Bahnnetzes.

Die Berliner U-Bahn besitzt damit nun in West-Berlin eine Streckenlänge von 64,5 km mit 75 Bahnhöfen (in Gesamt-Berlin von 88,8 km mit 108 Bahnhöfen).

Der Wert der U-Bahn als schnelles, vom Straßenverkehr unabhängiges Verkehrsmittel wird dadurch noch größer, daß die neue Linie wesentlich zur Vermaschung des Netzes beiträgt und zahlreiche neue Übergangsmöglichkeiten eröffnet.

Der weitere Ausbau des U-Bahnnetzes ist im vollen Gange (im Bau: Neukölln, Grenzallee-Britz und Tempelhof-Mariendorf; in der Planung: Mehringdamm-Fehrbelliner Platz) so daß schon in kurzer Zeit eine weitere beachtliche Vergrößerung bevorsteht.

Die U-Bahn ist zugleich aber auch das schnellste der BVG-Verkehrsmittel. Auf der neuen Linie wird bei Fahrgeschwindigkeiten bis zu 70 km/St. eine Reisegeschwindigkeit (einschließlich der Aufenthalte auf den Bahnhöfen) von 35,5 km/St. erreicht. das ist für ein innerstädtisches Verkehrsmittel einmalig und wird im wesentlichen durch den Einsatz neuer, hochleistungsfähiger U-Bahnzüge erzielt. Neben der Beschaffung neuer Wagen für die neuen Strecken ist auch für die älteren U-Bahnlinien eine systematische Erneuerung und Modernisierung des Wagenparks in die Wege geleitet und bereits angelaufen.

Die hohe Fahr- und Reisegeschwindigkeit bedeutet für die Fahrgäste eine erhebliche Verkürzung der Fahrzeit für die Erreichung der verschiedenen Fahrziele. Vom Wedding (Leopoldplatz) bis zum Zoo braucht man nur knapp 10 Minuten. Aber auch für zahlreiche andere Verbindungen ist durch die neue Linie eine wesentliche Verkürzung der Fahrzeiten eingetreten. Durch den dichten 5-Minuten-Verkehr an den Werktagen sind längere Wartezeiten an den Bahnhöfen ausgeschaltet.

Dem modernen Lebensstil entsprechend wird die Berliner U-Bahn zunehmend mit Fahrtreppen ausgestattet. Allein auf der neuen U-Bahnlinie sind 22 Fahrtreppen eingebaut. Für das bisherige U-Bahnnetz wird ein Programm ausgearbeitet, das auch die Ausstattung der wichtigeren älteren U-Bahnhöfe mit Fahrtreppen vorsieht.

Durch die Verdichtung des Netzes, die hohe Fahr- und Reisegeschwindigkeit sowie den Einsatz neuer Fahrzeuge wird die Benutzung der U-Bahn für den Fahrgast immer vorteilhafter.

Diese Entwicklung wird noch dadurch unterstützt, daß tariflich das gesamte U-Bahnnetz für den Fahrgast als Einheit behandelt, der Übergang von einer Linie auf die andere nicht als Umsteigen gerechnet wird. Wer mit einem Fahrschein die U-Bahn benutzt, genießt mithin Freizügigkeit auf dem gesamten U-Bahnnetz und kann sich hier jedes beliebige Fahrziel wählen.

Im übrigen gelten auch im Bereich der U-Bahn die besonderen Fahrscheinvergünstigungen bei Benutzung von Zeitkarten, d. h. von Monatskarten sowie Wochenkarten für 5 oder 7 Tage.

Machen auch Sie von den vielfältigen Vorteilen unserer Berliner U-Bahn Gebrauch und benutzen Sie für Ihre Fahrten soweit als möglich die U-Bahn.

U-Bahn fahren heißt Zeit ersparen

BERLINER VERKEHRSBETRIEBE (BVG) EIGENBETRIEB VON BERLIN

 


Originalerhaltene Bahnhöfe der Linie G
Bilder: urbanrail.net

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