Günther Schabowski
Schabowskis Anmerkungen und Erklärungen auf einer internationalen Pressekonferenz zum vorgesehenen neuen Reisegesetz der DDR. Diese Ausführungen wurden am 9. November 1989 gegen 19 Uhr live im Fernsehen der DDR übertragen.


Schabowski (2. v.r.) verliest die Presseerklärung

 

"Wir wollen durch eine Reihe von Umständen, dazu gehört auch das Reisegesetz, die Chance, also der souveränen Entscheidung des Bürgers zu reisen, wohin er will, wir sind natürlich besorgt, dass also diese Möglichkeit dieses Reisegesetzes, es ist ja noch immer nicht in Kraft, es ist ja ein Entwurf, allerdings ist heute, so viel ich weiß, eine Entscheidung getroffen worden, es ist eine Empfehlung des Politbüros aufgegriffen worden, dass man aus dem Entwurf des Reisegesetzes den Passus herausnimmt und in Kraft treten lässt, wie man so schön sagt, oder so unschön sagt, also die ständige Ausreise regelt also das Verlassen der Republik. Weil wir es für einen unmöglichen Zustand halten, dass sich diese Bewegung vollzieht, über einen befreundeten Staat, was ja auch für diesen Staat nicht ganz einfach ist. Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen."
(Zwischenfrage: Ab sofort?)
"Also Genossen, mir ist es hier also mitgeteilt worden, dass eine solche Mittelung heute schon verbreitet worden ist, sie müsste eigentlich in Ihrem Besitz sein.

Also Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen, Reiseanlässen und Verwandtschaftsverhältnissen beantragt werden, die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt, zuständige Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizei-Kreisämter der DDR werden angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dafür noch geltende notwendige Voraussetzungen für eine Ständige Ausreise vorliegen müssen. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR nach der BRD erfolgen. Damit entfällt die vorübergehende mündliche Erteilung von entsprechenden Genehmigungen Auslandsvertretungen der DDR beziehungsweise ständige Ausreise mit dem Personalausweis über Drittstaaten. Die Passfrage kann ich jetzt nicht beantworten, das ist auch eine technische Frage, die Pässe müssen ja, also damit jeder im Besitz eines Passes- also die müssen ja erst mal ausgegeben werden"
(Zwischenfrage: Wann tritt das in Kraft?)
"Das tritt nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzüglich.
(Zw: Vom Ministerrat?) (Zw: Sie hatten doch BRD gesagt, gilt das auch für Westberlin?)
Die Pressemittelung hat der Ministerrat der DDR beschlossen, dass bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden gesetzlichen Regelung durch die Volkskammer diese Übergangsregelung inkraft gesetzt wird.
(Zw: Gilt das auch in Berlin-West, oder nur BRD?)
Also doch doch... Ständige Ausreisen kann über alle Grenzzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise Berlin-West erfolgen."


Günther Schabowski wurde am 4. Januar 1929 in Anklam (Mecklenburg) geboren, studierte Diplomjournalistik an der Universität Leipzig und arbeitete von 1948 bis 1964 als Redakteur des FDGB-Zentralorgans Tribüne. 1952 erfolgte sein Beitritt zur SED. Nach dem Besuch der Moskauer Parteihochschule trat er 1974 in die Chefredaktion des "Neuen Deutschland" ein, zu deren Leiter er 1978 ernannt wurde. Ab 1981 gehörte er dem Zentralkomitee der SED an. 1985 erfolgte der Aufstieg ins Politbüro und er übernahm zugleich die SED-Bezirksleitung der Hauptstadt Berlin. 1986 wurde er ZK-Sekretär und damit zum aussichtsreichen Kandidaten für die Nachfolge von Parteichef Erich Honecker.

Während der revolutionären Ereignisse von 1989 in der DDR suchte Schabowski als einziges Politbüromitglied den Kontakt zur Opposition und übte nach der politischen Wende immer wieder deutliche Selbstkritik wegen seiner Beteiligung am DDR-Regime.


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